Dieses Schuljahr hat der Club français bzw. die DELF-AG des Herzog-Ernst-Gymnasiums zum ersten Mal am französischen Literaturwettbewerb Prix des lycéens allemands teilgenommen, der seit 2004 besteht und von der Französischen Botschaft Berlin, dem Institut français Deutschland sowie den Kultusministerien der Bundesländer in Kooperation mit dem Ernst Klett Sprachen Verlag veranstaltet wird. Die Initiative richtet sich an fortgeschrittene und lesefreudige Französischlernende der Sekundarstufe II, die sich gerne mit der modernen französischsprachigen Jugendliteratur auseinandersetzen. Seit dem Schuljahr 2020/2021 findet der Wettbewerb im zweijährigen Rhythmus statt. Nach der intensiven Lektüre der nominierten Romane werden drei Jurys auf schulischer, regionaler und nationaler Ebene ausgerichtet. In diesem Schuljahr hat Mohamed El-Zein das Herzog-Ernst-Gymnasium bei der Jury für das Land Niedersachsen repräsentiert und sich für die Bundes-Online-Jury im Rahmen der Leipziger Buchmesse am Freitag, den 28.05.2021 qualifiziert, wo der beste Roman gewählt wird. Dieser wird anschließend auf der kommenden Leipziger Buchmesse im März 2022 offiziell prämiert. Im Folgenden berichtet euch Mohamed von seinen bisherigen Erfahrungen mit dem Prix des lycéens allemands.          

– Mohamed, zunächst noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Qualifikation für die Bundesjury! Welche Bücher standen denn dieses Jahr zur Debatte?
Dieses Jahr wurden drei Jugendromane ausgewählt. „Aigre Doux“ von Wilfried N. Sondé, „Même pas en rêve“ von Vivien Bessières und „Direct du Coeur“ von Florence Medina.

– Wovon handeln diese Bücher?
In „Aigre Doux“ weiß man nicht, ob ein junger Mann oder eine junge Frau spricht. Der/Die Sprecher/in reflektiert über eine Frage, die ihm/ihr unter Jugendlichen gestellt wird: „Woher kommst du?“ In einem inneren Monolog verarbeitet der/die Erzähler/in diese Frage, die Selbstzweifel, die Erfahrungen mit der Familie und richtet sich dabei an ein „Du“. Im Roman wartet er/sie darauf, dass sich das „Du“ meldet. Das „Du“ steht nämlich in einem engen Verhältnis zum Erzähler/zur Erzählerin.
In „Direct du Coeur“ wird ein Jugendlicher, Tim, von seiner Mutter gezwungen, einen Extrakurs zu belegen, um Punkte für sein Abitur zu sammeln. Er belegt den Kurs „LSF“ (Langue des signes française) und lernt die Gebärdensprache. Zunächst ist Tim skeptisch, doch danach entdeckt er die Komplexität dieser Sprache. Er fängt mit seinen wenigen Kenntnissen an, mit den Gehörlosen in seiner Umgebung, die er zuvor nicht wahrgenommen hat, zu kommunizieren. Dabei verliebt er sich auch in ein Mädchen.
„Même pas en rêve“ handelt (auch :)) von einem Jugendlichen namens Tim, der in der Schule gemobbt wird. Ein schüchterner Jugendlicher, der denkt, dass „Coolness“ alles im Leben ist. Unerwartet verteidigt ihn eines Tages Louis, der das komplette Gegenteil ist: cool, stark, mit beruflich erfolgreichen Eltern etc. Die beiden freunden sich an und Tim erfährt mehr über die wissenschaftliche Arbeit von Louis Eltern.

– Wie heißen die Bücher auf Deutsch? Was kann man sich also grob unter dem Titel vorstellen?
„Aigre Doux“ heißt übersetzt „süß-sauer“. Metaphorisch heißt es also, dass die Menschen gemischte Gefühle empfinden können, so auch der/die Erzähler/in.
„Même pas en rêve“ bedeutet „Nicht einmal im Traum“. Auf den Inhalt kann man das so übertragen: Tim ist nicht einmal im Traum das, was er sein kann oder haben möchte: Eine Freundin, beliebt sein etc. „Direct du Coeur“ heißt „Von Herzen direkt / Direkt aus dem Herzen kommend“ und die Bedeutung dieses Namens kann ich leider noch nicht verraten. 🙂

– Gab es ein Werk, das dir besonders gut oder sogar am besten gefallen hat?
Als ich die Bücher das erste Mal gelesen habe, hatte ich einen klaren Favoriten. Nach dem zweiten Durchgang standen zwei Bücher bei mir in Konkurrenz zueinander und einen Favoriten habe ich tatsächlich. Ich werde ihn am 28. Mai verteidigen, verrate aber noch nicht mehr 🙂

– Kennst du die Autoren persönlich? Kennst du ein anderes Buch dieser Autoren?
Leider gab es Überschneidungen im Stundenplan, deswegen konnte ich den Autoren nie persönlich eine Frage stellen. Es besteht nämlich die Möglichkeit, die Autoren zu interviewen. Das „Webinar“ dieses Jahr ermöglicht es, dass eine ausgewählte Schule die Autoren persönlich interviewt, aber auch andere Schulen können im Chat Fragen stellen. Netterweise hat das Institut Français die Interviews auf Youtube hochgeladen. Wir haben allerdings eine Instagram-Seite eröffnet, um unsere Leseeindrücke zu teilen. Da folgt uns tatsächlich Herr Sondé 🙂
Andere Bücher kenne ich nicht, aber Herr Bessières und Frau Medina haben auch keine anderen geschrieben. Von Herrn Sondé würde ich sehr gerne die weiteren Bücher lesen.

– Wie wichtig ist es bei Literatur, eventuell auch beim PDLA, autobiographische Kenntnisse zu haben?
Autoren greifen beim Schreiben von Büchern wenn nicht immer, dann oftmals auf eigene Erfahrungen zurück. Das sieht man an diesen Büchern auch. Florence Medina ist selbst Gebärdendolmetscherin, Vivien Bessières wurde damals auch gemobbt (aber nicht so stark wie Tim) und Wilfried N. Sondé wurde und wird die gleiche Frage wie seinem „personnage principal“ gestellt. Ich konnte die Bücher und die Motivation der Autoren/der Autorin viel besser verstehen, nachdem ich das Interview geguckt habe. Der Klett Verlag hat zusammen mit dem Institut Français ein sogenanntes „Dossier pédagogique“, also eine Lektürehilfe, veröffentlicht. Da haben die Autoren / die Autorin bereits selbst Einiges zu ihrem Werk gesagt. Durch autobiographische Kenntnisse verstehen wir Bücher und die Motivation, sie zu schreiben, besser und wir können sie in größere Zusammenhänge einordnen.

– Wenn du genau einen Autoren / eine Autorin kennenlernen dürftest: Wer wäre es?
Vorweg: Meine Antwort muss noch nicht viel über meinen Lieblingsroman aussagen. Ich möchte sehr gerne Monsieur Sondé kennenlernen, weil sein Schreibstil einfach herausragend ist!

– Was ist die Nachricht / Message der Bücher?
„Aigre Doux“ sagt uns, dass unsere Herkunft keine Frage und kein Problem ist. Der Autor hat selbst einmal in einem Interview gesagt: „Partout tu peux respirer, partout tu peux marcher, tu es chez toi“. Das heißt: Wo auch immer du atmen kannst, wo auch immer du gehen kannst: Du bist bei dir zuhause.
„Même pas en rêve“ widerlegt das französische Sprichwort „qui se ressemble s’assemble“ (Gleich und gleich gesellt sich gern). Louis und Tim sind verschiedene Menschen und doch werden sie Freunde. Das Buch sagt uns „Es gibt keine Regeln, mit wem man befreundet sein kann“. Es sagt uns auch, dass man so sein soll wie man ist. Wenn uns andere nicht genauso akzeptieren, dann lohnt es sich nicht, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
„Direct du Coeur“ beweist uns am Beispiel von Tim, dass man im Leben offen sein muss. Wir müssen uns manchmal einfach auf Sachen einlassen. Wir müssen auch offen kommunizieren, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.

– Was ist das Oberthema der Bücher?
Alle Bücher enthalten das gleiche Motiv: Das Motiv der Akzeptanz. Spezifisch handelt „Aigre Doux“ von Rassismus, „Direct du Coeur“ thematisiert die Gebärdensprache und „Même pas en rêve“ thematisiert Mobbing.

– Wie ist die Landesjury abgelaufen?
Ich weiß nicht genau, wie sie normalerweise in Präsenz abläuft. Ich denke, man verteidigt schon zu Beginn seinen Lieblingsroman, aber sicher bin ich mir da nicht. Dieses Jahr war es in der Online-Jury vorgesehen, ein Portrait Chinois für die Bücher zu formulieren und den Büchern Superlative zuzuordnen. Ein Portrait Chinois ist sowas wie „Wenn ich eine Farbe wäre, wäre ich…“. Da die Zeit gefehlt hat, haben wir die Superlative gar nicht besprochen und beim Portrait Chinois nur debattiert, welche Farbe am geeignetsten wäre. Am Anfang haben wir uns vorgestellt und die Buchcharaktere ebenso wie die drei Buchtitel anhand von Emojis erschlossen.
Danach haben wir die Bücher zusammengefasst und uns wurden von den Organisatorinnen Fragen gestellt, etwa zum Schreibstil, zu den Charakteren etc. Anschließend wurden pro Buch zwei von den Autoren vorab persönlich formulierte Fragen eingeblendet, zu denen wir Stellung beziehen sollten.

– Wie hast du dich vorbereitet?
Ich habe die Bücher insgesamt zwei Mal gelesen; einmal in den Sommerferien und ca. 1-2 Wochen vor dem Wettbewerb. Ich wollte mir beim zweiten Mal lesen eigentlich detaillierte Notizen machen, aber das hat den Lesefluss stark gestört und hat sich nicht spaßig angefühlt. Es sollte dazu dienen, nichts zu vergessen, aber dann dachte ich mir, dass es ja nicht darum geht, die Bücher bis ins kleinste Detail zu können. Ich habe beim Lesen aber auch mit dem Material des Klett-Verlags gearbeitet, die einem helfen, beim Lesen gewisse Passagen zu sichern.

– Was war deine Motivation, teilzunehmen?
Ich lese, debattiere und kommuniziere sehr gerne. Hinzu kommt, dass mich Englisch & Französisch faszinieren. Die Kombination Französisch, Debatte & Literatur haben sich im Gesamtgefüge sehr überzeugend angehört.

– Würdest du nochmal daran teilnehmen? Wem würdest du empfehlen, daran teilzunehmen?
Der Wettbewerb findet alle zwei Jahre statt. Dann will ich auf alle Fälle wieder teilnehmen. Hoffentlich kommt meinem Hobby (Sprachen & Bücher sind für mich einfach Hobbys) da nicht zu viel dazwischen, wie zum Beispiel das Abitur. Wenn DU Französisch magst, gerne liest, kommunizierst und offen bist, dann ist der PDLA genau richtig für dich. Spaß ist am wichtigsten!


– Ist es schwer, auf Französisch zwei Stunden lang zu debattieren?
Wenn man Wasser neben sich hat, nicht 🙂 Es war deswegen nicht schwer oder gar anstrengend, weil ich das aus Leidenschaft mache. Wenn man mit dem Ziel, Spaß zu haben, in eine Debatte etc. reingeht, dann kommt alles von alleine.

– Waren die Bücher schwer zu verstehen?
Nicht wirklich. Zum einen gibt es Vokabellisten von Klett für die jeweiligen Bücher, zum anderen muss man nicht jedes Wort verstehen. Man weiß ungefähr, welche Passagen besonders wichtig sind (bei “Même pas en rêve” immer dann, wenn es um Wissenschaft ging) und wenn da was fehlt, kann man mal nachgucken. Das stört aber insgesamt den Lesefluss eher – ich habe die Wörter so gut wie immer aus dem Kontext verstanden. Nur bei „Direct du Coeur“ musste ich mich an das stark informelle Register gewöhnen. Das aber zum Beispiel ist nicht so wichtig zu verstehen.

– Wie geht es jetzt weiter?
Am 28. Mai werde ich im Rahmen der Leipziger Buchmesse meinen Lieblingsroman in der Online-Bundesjury vertreten.

– Würdest du den Wettbewerb auch noch einmal in einer anderen Sprache durchführen?
Kurz: Absolut!

– Warst du nervös?
Anfangs, da ich nicht wusste, was auf mich zukommt, war ich leicht nervös. Das hat sich nach dem ersten Satz aber wieder gelegt.

– Gibt es noch etwas, dass du sagen möchtest?
An alle Schüler*innen, die das Lesen und eventuell auch Französisch lernen: Seid offen (für diese tolle Sprache)! Am Ende kann man nichts verlieren, sondern nur neue Erfahrungen sammeln. Alleine hätte ich das natürlich nie geschafft: Ich bin allen Lehrkräften dankbar, da alle individuell zu meiner Offenheit, mit der ich in diesen Wettbewerb gegangen bin, beigetragen haben. Ein großes „Merci“ an die Französichlehrkräfte, besonders an die, die mich unterrichtet haben! Dabei ein besonderes Dankeschön an Frau Rudolf, denn ohne ihr Engagement wäre die Teilnahme an diesem Wettbewerb nie möglich gewesen!

 Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg für den 28.05.2021!