Klassenfahrt in der 9. Klasse? „Party machen“, „Shoppen gehen“, „Freizeit“,… Das wären die Antworten, die man bekommt, wenn man die Schüler befragt, was sie denn so erwarten. Und dann fahren seit mehreren Jahren am HEG jeweils zwei Klassen zu Jugendbegegnungsstätten (JBS) des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Spaß haben und ernsthafte Arbeit mit Einzelschicksalen von Opfern des Zweiten Weltkrieges – kann das zusammenpassen?

Ja, denn neben der Beschäftigung mit den schrecklichen Folgen des Krieges gehört zu den Fahrten natürlich auch ein Freizeitprogramm. Riesige Rutschen im Freizeitbad, schwindelnde Höhen im Kletterpark, ja – auch Shopping in Antwerpen, gar gruselige Nachtwanderungen, all das gehörte ebenso zu der Klassenfahrt der 9B und 9F 2013 nach Ysselsteyn (NL), beispielsweise. Und dass es nicht immer bierernst zugehen muss, zeigt auch das obere Foto.

Zu sehen ist eine Pflanzaktion am Grab von Hermann Daleit, ein im Februar 1945 verstorbener Soldat, der aus Veerßen stammt und nun neben über 30.000 weiteren Kriegsopfern auf der Kriegsgräberstätte im niederländischen Ysselsteyn begraben liegt.

Durchaus ergriffen waren die Schülerinnen und Schüler auch von der Arbeit mit Zeugnissen des Lebens einzelner Soldaten – u.a. Bilder und Briefe – deren Grabstellen im Anschluss an diese Recherche besucht wurden.

Zudem fand ein sehr beeindruckender Besuch des Fort Breendonk (B) statt, das während des Zweiten Weltkriegs als Gefangenenlager diente, sowie eine geführte Tour durch das jüdische Viertel in Antwerpen.

Ein weiterer Ausflug führte die Klassen direkt in die Vergangenheit. Im Museumspark Orientalis ist eindrucksvoll das Leben zur Zeit Jesu zu erfahren – man wandelt durch lebensechte Straßen und Häuser der Zeit und entwickelt ein Verständnis dafür, wie die großen monotheistischen Weltreligionen zusammenhängen.  

Die Programmpunkte sind u.a. Angebote des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der 1919 im Zuge des Ersten Weltkrieges  gegründet worden ist – wohl eine der ersten Bürgerinitiativen weltweit. Die seinerzeit noch junge demokratische Regierung war noch nicht in der Lage, sich angemessen um die Opfer des Krieges zu kümmern, so übernahmen diese wichtige Aufgabe die Bürger. Ziel war und ist es, der Opfer zu gedenken, ein Mahnmal für die Zukunft zu schaffen. So unterstützt der Volksbund Angehörige bei der Suche nach Gefallenen, berät sie in Fragen der Beisetzung. Noch heute werden jährlich 40.000 Menschen geborgen und auf Kriegsgräberstätten umgebettet. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auch auf der aktiven Friedensarbeit, indem Jugendlichen Begegnungen mit Jugendlichen anderer Länder („Versöhnung über den Gräbern“), mit Zeitzeugen und aber auch mit Zeugnissen der schrecklichen Vergangenheit ermöglicht werden. Neben den JBS werden außerdem im Sommer Workcamps angeboten. Nicht nur hier werden Vorurteile abgebaut – Europa erhält ein Gesicht und man erfährt, dass die EU nicht nur die Finanzkrise Zyperns bedeutet. Mehr als 400.000 Mitglieder sowie jährlich über 1 Million Spender unterstützen das Engagement der nach wie vor gemeinnützigen, nicht-staatlichen Organisation.

Das HEG ist stolz auf die Vielfalt seiner angesteuerten Klassenfahrtsziele. Die sicherlich nachhaltig beeindruckenden Fahrten nach Ysselsteyn, Usedom (Golm), Lommel (B) und Niederbronn (F) im Rahmen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sind ebenso wertvoll wie die Fahrten in andere deutsche Städte wie Köln, Dresden oder Düsseldorf. Weder lassen sich die einen noch die anderen Fahrten auf Schlagworte wie „Grabsteinputzen“ oder „Schokoladenmuseum“ reduzieren. Vorurteile gilt es eben auch im Kleinen abzubauen…

Ki/Ge